Ist die deutsche Technikerausbildung ein Unikat?
Uwe Lauterbach

International wird das deutsche Berufsbildungssystem – eingeschlossen die Fachschulausbildung – allgemein als leistungsfähig anerkannt, oft gelobt und als Vorbild dargestellt. Es zeichne sich durch Praxisbezug und hohe Qualität aus. An diese Argumentation anschließend wird aus deutscher Sicht die Position vertreten, dass es für deutsche Berufsbildungsabschlüsse bei der Einordnung in international vergleichende Klassifikationssysteme schwer sei, sich gege­n­über Qualifikationen aus anderen Ländern zu behaupten, deren Bildungssysteme eher der auch in der EU mehr und mehr bestimmen­den bildungs­meritokratischen Logik folgten. Diese Einschätzung gelte auch für die deutsche Technikerausbildung. Diese sei im internationalen Vergleich ein Unikat, zeichne sich durch eine hervorragende Qualität aus und werde sich deshalb auch in der Zukunft zwischen Facharbeiter, Meister und Ingenieur weiter behaupten. Sie werde aber international nicht ausreichend gewürdigt. Das sei besonders bei der vergleichenden Einstufung mit ähnlichen Ausbildungsgängen aus anderen Ländern der EU und bei der individuellen Anerkennung in anderen Ländern der EU der Fall.

Diese Hypothese steht im Mittelpunkt des Vortrags. Es wird überprüft, ob sie bezogen auf die Situation der heutigen deutschen Technikerausbildung weiterhin tragfähig ist. Außerdem wird der Frage nachgegangen, ob und wie andere nationale Bildungssysteme an die aktuellen supranationalen (EU) Herausforderungen angepasst werden und wie dort die Internationalisierung betrieben wird, um sich auf einem internationalen Bildungsmarkt, der durch das GATS- Abkommen (General Agreement on Trade and Services) initiiert wurde, behaupten zu können.

Dazu werden in einem ersten Schritt relevante Klassifikationssystemen vorgestellt. Weltweit ist das die International Standard Classification for Education (ISCED). Von besonderer Bedeutung in der EU sind der Brügge-Kopenhagen-Mast­richt-Prozess und der Bolognaprozess. Darauf bezogen bestehen relevante Initiativen, wie das European credit transfer system (ECTS) und das entsprechende System für die berufliche Bildung (ECVET), das gerade entwickelt wird. Beide Systeme bedingen ebenfalls Klassifikationssysteme. Diese wiederum werden die nationalen Bildungsangebote – also auch die Technikerausbildung – beeinflussen.

In einem zweiten Schritt wird die für besondere Ausbildungs­typen stehende Technikerausbildung in Dänemark, Estland, Frankreich, Österreich, der Schweiz, den USA und dem Vereinigte Königreich (hier England) analysiert und verglichen. Zur Veranschaulichung werden die Beispiele aus den Tätigkeitsfeldern Technik und Wirtschaft ausgewählt.

Unsere Hypothese, dass die deutsche Technikerausbildung im internationalen Vergleich ein Unikat darstellt, wird nicht bestätigt. Die deutsche Technikerausbildung ordnet sich durchaus in die international vorhandenen Strukturen, die meist nach ISCED 5b eingestuft werden, ein.

Unterschiede sind aber vorhanden, wenn die Reaktionen in den einzelnen Staaten bezogen auf den Brügge-Kopenhagen-Mastricht-Prozess in der EU, das internationale Klassifizierungssystem ISCED und die Internationalisierung der Bildungsmärkte analysiert werden. Außerdem wird der Frage nachgegangen, ob und wie die nationale Technikerausbildung jeweils verändert wurde, um sich gegenüber den Bachelor-Studiengängen behaupten zu können. Hier sind in den einzelnen Staaten durchaus eigenständige Konzepte vorhanden.

Da die deutschen Antworten auf diese Herausforderungen bisher eher zögerlich sind, konzentriert sich die Auseinandersetzung mit den ausländischen Techniker­ausbildungen in der abschließenden Zusammenfassung darauf, ob Anregungen für die deutsche Reformdebatte gewonnen werden können. Die Ergebnisse werden als Einstieg in die folgende Diskussion auf der Tagung als Empfehlungen zur Reform der Technikerausbildung in Deutschland vorgelegt.

Dr. Uwe Lauterbach
Deutsches Institut für Internationale Pädagogische Forschung, Frankfurt am Main
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